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Antike

Brustkrebs war bereits im alten Ägypten bekannt, und wird erstmals 2650 v. Chr. als unheilbare und stets tödlich verlaufende Erkrankung beschrieben. Im berühmten, etwa 4,6 Meter langem Edwin Smith Papyrus, einer Fallsammlung über Verletzungen und deren Behandlung, findet sich unter den 48 Kapiteln bemerkenswerter Weise auch eines über Brustkrebs. Darin heißt es:

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Fall 45. Brusttumore
Titel:
Praktik bei kugelartigen Tumoren in der Brust
Untersuchung und Prognose:
Wenn du jemanden wegen kugeliger Tumore in der Brust behandelst und sie haben sich darin ausgebreitet, und du tastest die Brust und die Tumore fühlen sich kühl an ohne jede Überwärmung, und deine Hand tastet keine körnige Beschaffenheit und der Tumor produziert kein Wasser oder Wassertropfen, sondern bleibt kugelig in deiner Hand, dann sage darüber: "Jemand mit kugeligen Tumoren in der Brust: das ist eine Erkrankung, mit welcher ich zu kämpfen haben werde."
Behandlung:
Es gibt keine. Solltest du Tumore in den Gliedmaßen finden, behandle sie gemäß deren Praktik.
Erklärung:
Zu "kugelige Tumore in der Brust". Das sind Schwellungen in der Brust, groß, ausgedehnt und hart, und wenn getastet, sich wie ein gehärteter Ball von Bandagen oder frische Bockshornschalen, hart und kühl in deiner Hand, anfühlen. Genau so sind diese Schwellungen in der Brust.

Der Edwin Smith Papyrus ist ein erstaunliches Zeugnis Altägyptischer Heilkunde. Er ist völlig frei von magischen Elementen, was für medizinische Dokumente Altägyptens untypisch ist, und enthält akribische klinische Beschreibungen, sowie eine klare Prognose und Therapie der Erkrankung. Der Papyrus ist wahrscheinlich eine Abschrift von wesentlich älteren Dokumenten.
Quelle der Übersetzung: U.S. National Library of Medicine. Eigenübersetzung aus dem Englischen. Die rot hervorgehobenen Abschnitte entsprechen den roten Stellen im Papyrus

Etwa 460 v. Chr. befasste sich Hippokrates mit Brustkrebs. Auf ihn geht die Bezeichnung karkinos, das Griechische Wort für Krabbe oder Krebs zurück, da der Tumor sich nach seiner Beobachtung mit krabbenartigen Beinen im Gewebe zu verankern schien. Der Brustkrebs ist damit bis heute der Namensgeber aller bösartiger Tumoren. Nach Hippokrates entstand Brustkrebs durch den Überschuss schwarzer Galle melanchole, wohl weil der unbehandelte Tumor im fortgeschrittenen Stadium häufig einblutete und sich dadurch zunehmend schwärzlich verfärbte. Auch melanchole hat sich bis heute im Wort Melancholie erhalten. Hippokrates sprach sich gegen eine Entfernung des Tumors aus, da jene Frauen, die sich einer Operation unterzogen, noch rascher verstarben als unbehandelte Frauen.

Galen bestätigte den Befund von Hippokrates 260 Jahre später, und erkannte, dass manche Tumore bösartiger waren als andere. Galen versuchte erstmals systematisch pharmakologische Ansätze in der Brustkrebsbehandlung mit Opium, Steinöl, Schwefel oder Lakritze. Weiterhin wurde von einer Operation abgeraten, da der Tumor rasch nachwuchs. Brustkrebs wurde damit als eine unheilbare und zum Tode führende Erkrankung des gesamten Körpers angesehen, und diese Erkenntnis hielt sich 2000 Jahre lang.

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Raffaels Bild zeigt Margherita Luti, Tochter des Bäckers Francesco Luti und Geliebte - nach anderen Quellen Ehefrau - von Raffael. Der Tumor ist bereits fortgeschritten und hat mindestens die Größe eines Taubeneis. Die Haut über dem Knoten ist gerötet und leicht eingezogen (rote Pfeile), die Schwellung an der Achselfalte (blauer Pfeil) und angedeutet über dem Schlüsselbein zeigt, dass bereits die Lymphknotenstationen befallen sind.
Raffael verstarb wenige Monate nach Vollendung des Bildes im April 1520, Margherita trat vier Monate später dem Orden von Santa Apollonia in Rom bei, nachdem sie ihr nicht unbeträchtliches Erbe der Familie von Raffael überlassen hatte. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt, doch kann davon ausgegangen werden, dass sowohl ihr als auch Raffael der Umstand und die Prognose ihrer Brusterkrankung bekannt waren.

Eine neuere Sicht des Brustkrebs entwickelte sich erst mit dem Ende des 17. Jahrhunderts, die 'Schwarze-Galle' oder humorale Theorie von Hippokrates und Galen wurde zunehmend vorallem von französischen Ärzten angezweifelt. Hundert Jahre später, im Jahr 1769, ging der französische Arzt Jean Astruc sogar so weit, ein gebratenes Stück des Tumors zu kosten; da es nicht nach Galle schmeckte, galt die altertümliche humorale Sicht als nunmehr endgültig widerlegt.

Die neue Sicht

Damit begann eine neue Phase der Suche nach Ursache und Behandlung des Brustkrebs. Zunehmend setzte sich die Ansicht durch, dass Brustkrebs eine lokale Erkrankung der Brust ist, die sich erst nach ihrer vollständigen Ausbildung auf den gesamten Körper ausdehnt; damit war auch die chirurgische Tumorentfernung wieder ein Thema. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts berichteten Henri Le Dran und Claude-Nicolas Le Cat über längere Überlebensraten, wenn die befallene Brust zusammen mit den Lymphknoten in der Achsel entfernt wurde. Brustkrebs wurde als im Prinzip durch das Skalpell behandelbar angesehen, wenn der Tumor keine Möglichkeit mehr erhält, sich auszubreiten - diese Ansicht hielt sich bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, und führte oft zu sehr radikalen und verstümmelnden Operationen mit Entfernung der Brustmuskulatur bis hin zur Muskulatur der Brustwand, um jeden möglichen Ausbreitungsweg im Wortsinn abzuschneiden (radikale Mastektomie).

1895 entdeckte der Schottische Chirurg George Beatson, dass die Entfernung der Eierstöcke bei einer seiner Patientinnen den Brustkrebs zum Schrumpfen brachte. Diese Entdeckung führte rasch dazu, dass zahlreiche Chirurgen dazu übergingen, neben der Brust auch die Eierstöcke zu entfernen - mit wechselhaftem Erfolg, wie sich herausstellte. Damals wusste man noch nichts über Hormonrezeptoren der Brustkrebszellen, und dass diese nicht in jedem Fall vorhanden waren.

Und wieder ein Neuanfang

1955 stellten George Crile und Bernard Fisher die Theorie auf, dass Brustkrebs zwar anfangs eine lokale Erkrankung ist, sich aber rasch nicht nur über die Lymphbahnen und anliegenden Weichteile, sondern auch über den Blutkreislauf im Körper ausbreitet. Damit griffen sie im Prinzip wieder die alte Theorie von Galen und Hippokrates in allerdings modernerem Gewand auf. 1976 publizierte Fisher, dass eine einfachere Operation mit anschließender Bestrahlung oder Chemotherapie oft bessere Ergebnisse brachte als die radikale Mastektomie. Diese neue Erkenntnis setzte sich allerdings nur zögerlich durch, und wurde erst akzeptiert, als man das Prinzip der Metastasierung besser verstand.

Trotz der neuen und verbesserten Methoden in der Behandlung blieb Brustkrebs bis Ende der 70er-Jahre, so wie in den über 4600 Jahren zuvor, eine meist zum Tode führende Erkrankung; doch konnte als Teilerfolg die Überlebenszeit nach Ausbruch der Erkrankung deutlich verlängert werden.

Eine neue Hoffnung

Die Erkenntnis, dass Brustkrebs schon während seines Wachstums auf den gesamten Körper übergreift, kollidierte mit der Tatsache, dass Frauen meist erst durch einen tastbaren Knoten auf ihre Erkrankung aufmerksam wurden - in einer Phase also, wo die Absiedelung der Krebszellen in den Körper sehr wahrscheinlich schon stattgefunden hat. Gab es eine Möglichkeit, Brustkrebs in seinem Frühstadium - also noch vor seiner Aussaat in den ganzen Körper - zu erkennen?

Die ersten Mammographien wurden 1913 vom Chirurgen Albert Salomon durchgeführt, allerdings nicht an Frauen, sondern an Operationspräparaten. Er studierte damit die Ausbreitungsmechanismen des Tumors im Gewebe. Die weltweit erste Mammographie an einer Frau wurde 1927 von Otto Kleinschmidt durchgeführt. In den darauf folgenden 50 Jahren wurde die Mammographie technisch verfeinert, besser auflösende Filmfolien entwickelt, und vor allem bildgebende Erfahrung mit den Frühstadien des Brustkrebs gesammelt. 1973 schließlich veröffentlichten Hoeffken und Lanyi das bis heute gültige Standardwerk zur Mammographie: Röntgenuntersuchung der Brust. Damit gab es erstmals eine profunde Grundlage zur Früherkennung von Brustkrebs.

Die Geburt des Screenings

Die Stärke der Mammographie - Brustkrebs bereits im Frühstadium erkennbar zu machen - führte in ein Dilemma: Bislang kamen nur Frauen zur Mammographie, die bereits an Brustkrebs erkrankt waren, oder im dringenden Verdacht standen, daran erkrankt zu sein. Zwar war die Mammographie für die Weiterbehandlung hilfreich, aber von ihrer Möglichkeit der Früherkennung profitierte die Frau nicht mehr.

Die gesellschaftlichen Umbrüche in den 70er-Jahren, allem voran das Entstehen von Frauenbewegungen mit neuem Rollenverständnis und zunehmendem Selbstbewusstsein gegenüber dem Establishment und der Politik, aber auch der beginnende Vorsorgegedanke in der Gesundheitspolitik bereiteten schließlich im Jahr 1977 die Grundlage für den Beschluss der Schwedischen Regierung, versuchsweise ein Brustkrebs-Screening, also ein Vorsorgeprogramm zur Früherkennung von Brustkrebs durchzuführen und zu finanzieren.

Mit der Umsetzung beauftragt wurde László Tabár, der das sogenannte Two-Country-Trial entwarf und leitete. Dabei wurden zwei schwedische Bundesländer (Kopparberg und  Östergötland) ausgewählt, innerhalb derer zufällig verteilten Gruppen von Frauen eine regelmäßige Mammographie-Vorsorgeuntersuchung angeboten wurde. Die übrigen Frauen dienten als Kontrollgruppe, ihnen wurde keine Vorsorge angeboten. Die Studie lief sieben Jahre lang, danach wurden die Ergebnisse im April 1985 in der medizinischen Fachzeitschrift Lancet publiziert. Es sollte die meistzitierte Studie werden, die je zur Brustkrebsvorsorge veröffentlicht wurde.

Lancet1985

Das Ergebnis der Studie, kurz zusammengefasst: Die Brustkrebssterblichkeit in der Vorsorgegruppe reduzierte sich gegenüber der Kontrollgruppe um 31%. Für Frauen zwischen 50 und 74 reduzierte sich die Brustkrebssterblichkeit im Zeitraum der Studie sogar um 40%. Dass jüngere Frauen kaum profitierten, lässt sich durch die relativ kurze Dauer der Studie erklären - Frauen deutlich unter 50 Jahren erkranken und versterben naturgemäß weniger häufig an Brustkrebs, weshalb im Laufe der sieben Jahre noch kein signifikanter Unterschied zur Kontrollgruppe entstand.

Die Brustkrebssterblichkeit (Mortalität) gibt an, wie viele an Brustkrebs erkrankte Personen innerhalb eines bestimmten Zeitraums daran versterben. Die Bestimmung der Mortalität ist trotz der einfachen Definition schwierig, da betroffene Personen zwar mit, aber nicht an der Erkrankung versterben können (etwa durch Unfall oder hohes Alter). Wichtig ist deshalb, dass eine große Anzahl von Frauen in der Studie und in der Kontrollgruppe teilnehmen. In der Two-Country-Trial  Studie waren ca. 80.000 Frauen in der Vorsorge-Gruppe, und ca. 55.000 Frauen in der Kontrollgruppe.

Nach über 4.600 Jahren gab es mit dem Screening erstmals eine Methode, die nachweislich die Sterblichkeitsrate des Brustkrebs deutlich senken konnte.

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